Erst hieß es, die Todesfahrt von Mannheim habe keinen extremistischen Hintergrund. Neue Recherchen stellen diese Aussage infrage.

Zur Einordnung: Die Behauptung, es gäbe keinen extremistischen Hintergrund kam von den Behörden und der CDU, Rechtsradikale behaupteten es sei ein Islamist gewesen.

Hat sich Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) zu früh festgelegt?

Nur Stunden, nachdem am Montag in Mannheim ein Autofahrer mit hoher Geschwindigkeit durch die Innenstadt gerast war und eine 83-jährige Frau und einen 54-jährigen Mann totgefahren hatte, erklärte der Minister, bisherigen Erkenntnissen zufolge habe die Todesfahrt keinen extremistischen Hintergrund.

Was Strobl hier mutmaßlich mit mit „nicht extremistisch“ meint, ist dass es kein Islamist war.

Auf den Social-Media Accounts des Täters waren klare rechtsextreme Symbole zu sehen, die hätten Beamten, die über die Bilder gehen auffallen müssen.

Strobl wird die Recherchen nicht selbst durchgeführt haben, sondern die zuständigen Behörden. Jetzt gibt es für die falsche Behauptung 3 mögliche Erklärungen:

  1. Behörden haben einfach versagt, weil inkompetent. Da würde sich die Frage stellen, warum solche Dinge eher selten bei Linksextremen passieren.

  2. Behörden haben absichtlich weggeschaut, in der Hoffnung, niemand würde bemerken, dass es ein Rechtsextremer war. Falls es das war, waren die Beamten ziemlich dämlich, Weil klar war, dass Medien alles verfügbare über den Täter ausgraben werden.

  3. Die meiner Meinung nach gleichzeitig gruseligste und wahrscheinlichste Erklärung: Beamte sind Menschen und Menschen haben ihre Vorurteile. Die Medien berichten überproportional viel über Ausländerkriminalität und Terrorismus durch Islamisten. Jetzt fährt ein Terrorist in eine Menschenmenge. Die Ermittler stellen den Täter und sehen, dass er weder Migrationshintergrund, noch ein Muslim ist. Damit schließen sie Islamismus aus.

Jetzt das üble an der Hypothese: Sie haben in diesem Szenario nicht (richtig) überprüft, ob es einen anderen extremistischen Hintergrund gibt. Das heißt, in ihren Köpfen wäre nach dieser Theorie Terrorist = Islamist. Das wäre fast schlimmer, als Beamte mit Neonazi-Kontakten. Die kann man immerhin wegen mangelnder Verfassungstreue rauswerfen, Beamte die einfach nur Rassisten sind, nicht.

Die Motivation für die gezielte Jagd auf Fußgänger liege eher in der Person des Täters begründet, sagte Strobl.

Der Mannheimer Oberstaatsanwalt Romeo Schüssler ergänzte, es gebe Hinweise auf eine psychische Erkrankung des 40 Jahre alten Landschaftsgärtners aus Ludwigshafen. Dieser sei wiederholt in ärztlicher Behandlung gewesen, hieß es.

Schwarz -> mutmaßlicher Islamist

Weiß -> psychisch Krank

Jetzt sind allerdings auch Anhaltspunkte für eine extremistische Verstrickung des Tatverdächtigen aufgetaucht:

Die antifaschistische Rechercheplattform “Exif” hat Fotos veröffentlicht, die Alexander S. bei einer unter anderem von der NPD organisierten Demonstration am 3. Oktober 2018 in Berlin zeigen sollen.

Auf den Fotos ist der mutmaßliche Täter von Mannheim in einem Meer von Deutschlandfahnen zu sehen. Er selbst trägt auch eine.

Wieso müssen es immer ehrenamtliche Antifaschisten richten?

Aber S. soll nicht nur ein bloßer Mitläufer gewesen sein. Laut “Exif” gehörte er wohl auch zu einer Neonazi-Splittergruppe namens “Ring Bund”.

Müsste der VS nicht von der Neonazi-Gruppe wissen und deren Mitgliedern wissen?

Einer der Leiter dieser Gruppe habe S. in einer 2018 angelegten Personenliste mit der Nummer 000415 als mutmaßliches Mitglied geführt.

WOHER HABEN EIN PAAR EHRENAMTLICHE INTERNE PERSONALLISTEN VON NEONAZI-GRUPPEN UND WARUM HAT DER STAAT DIE NICHT?!?!?!

Dazu notierte der Neonazi-Kader laut “Exif” diverse Fähigkeiten von S.: “gelernter Landschaftsgärtner, Boxer, Bolzenschusserlaubnis für Schlachtvieh, Englisch”.

Englisch. Quasi schon ein Ausländer.

S. soll Zugriff auf die Kommunikationsstruktur der Gruppierung “Ring Bund” gehabt haben. Die Gruppe wiederum habe laut ihrer Personenliste persönliche Kontakte unter anderem zu dem militanten Neonazi Thorsten Heise und dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke gehabt.

Kein Rechtsterrorismus ohne AfD-Connection

Der “Ring Bund” sei zudem an ein Waffennetzwerk angebunden gewesen, das im Jahr 2020 aufflog.

Laut Ermittlungen brachte dieses Netzwerk zwischen 2015 und 2018 Schusswaffen von Kroatien nach Deutschland, darunter Maschinenpistolen und Pumpguns.

Positive Nachricht: S. hatte zum Zeitpunkt des Anschlags wahrscheinlich keine Waffen, sonst hätte er sie wahrscheinlich benutzt.

Negative Nachricht: Da draußen gibt es Neonazis, die Kontakt zu einem Terroristen und Bundestagsabgeordneten haben/hatten und mutmaßlich mit Maschinenpistolen und Pumpguns bewaffnet sind.

Einer der Köpfe des “Ring Bund” wurde deswegen 2022 zu vier Jahren und drei Monaten Haft verurteilt.

Der “Exif”-Bericht ist bei den Strafverfolgungsbehörden bekannt.

WARUM BEHAUPTET IHR DANN ES SEI NICHT EXTREMISTISCH GEWESEN?! Ist die Kommunikation so scheiße? Gab es Zeitdruck ein Statement zu veröffentlichen? Wo war das Problem?

Die Hinweise auf rechtsextreme Aktivitäten von S. stünden nun “im Fokus der Ermittlungen”, teilten Staatsanwaltschaft Mannheim und Landeskriminalamt Baden-Württemberg am Mittwoch mit.

Nach derzeitigem Stand der Ermittlungen sei aber weiterhin nicht von einem extremistischen oder politischen Motiv für die “konkrete Tat” auszugehen.

Wieso wird das hier betont, aber wenn ein Islamist Menschen tötet, nicht?

“Gemäß den bislang vorliegenden Erkenntnissen, bestehend aus umfangreichen ärztlichen Unterlagen und einer Vielzahl sich gegenseitig bestätigender Zeugenaussagen, ist davon auszugehen, dass bei dem Tatverdächtigen seit vielen Jahren eine psychische Erkrankung vorliegt”, teilten Staatsanwaltschaft und LKA mit.

Der Verdächtige habe sich in der Vergangenheit regelmäßig in ärztlicher beziehungsweise psychiatrischer Behandlung befunden, zuletzt im vergangenen Jahr auch stationär.

Bisher war über S. bekannt, dass er mehrfach vorbestraft war. Staatsanwalt Schüssler berichtete von einer Körperverletzung, für die der mutmaßliche Täter von Mannheim vor mehr als zehn Jahren eine kurze Freiheitsstrafe verbüßt habe, außerdem habe es einen Fall von Trunkenheit im Verkehr gegeben.

Zuletzt sei der heute 40-Jährige wegen eines Facebook-Kommentars zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Laut Staatsanwaltschaft handelte es sich um ein Hassrede-Delikt aus dem Jahr 2018.

Die Linken-Politikerin Katharina König-Preuss forderte unterdessen, die Aktivitäten der Gruppierung “Ring Bund” losgelöst von der konkreten Motivation des Täters von Mannheim aufzuklären und aufzuarbeiten.

Dass Sicherheitsbehörden und politische Verantwortungsträger kurz nach der Todesfahrt eine politische Motivation verneinten, sei unverantwortlich gewesen und bestätige, “dass Bedrohung durch extrem rechte Strukturen systematisch unterschätzt wird”.

  • Saleh@feddit.org
    link
    fedilink
    arrow-up
    17
    ·
    5 days ago

    Da er sich bei der Verhaftung mit einer Schreckschusswaffe selbst töten wollte, ist “psychisch krank” und “politisch motiviert” erstmal keine entweder-oder Entscheidung. Der Anschlag hatte erst mal auch dne Effekt, dass er grundsätzlich (vermeintlichen) Ausländern in die Schuhe geschoben wurde.

    Wenn jetzt die Medien, die gestern noch die Zelte abgebrochen haben, als klar wurde, dass der Täter Alexander Schumacher und nicht Ali Schams hieß, nicht umso mehr über Rechtsextremismus und Rechtsterrorismus berichten, dann hat der Täter am Ende mit dem Anschlag vlt. sogar erfolgreich die Rechtsextremen gestärkt.

    Auch der Täter von Magdeburg war offenkundig rechtsextrem, auch wenn er aus Saudi Arabien geflüchtet ist. Und anstatt die notwendige Debatte über Rechtsextremen Terror zu führen, haben sich Politik und Medien irgendwo zwischen “wenn er braun ist, ist er eigentlich Islamist” und “naja psychisch krank, aber Ausländer!!! also Ausländer schuld” eingependelt.

    Gleichzeitig hat Rechtsextremer Terror noch den “Vorteil” aus Sicht der Terroristen, dass damit wirksam die Bevölkerung eingeschüchtert werden kann, die Täter aber nicht einfach “geothert” werden können. Da kann man dann nicht einfach mit dem Finger auf alle Zeigen, die irgendwie anders aussehen, sondern der Täter sieht aus wie der Onkel Herbert und war mit dem Siggy sogar in einem Telegrammkanal. Aber der Siggy ist ja eigentlich nicht so schlimm, man muss nur beim Grillabend los, bevor er mit dem Schnaps anfängt. Wobei, vielleicht sollte man lieber jetzt besonders lieb zum Siggy sein. Der war die letzten Male auch irgendwie anders, nicht dass er noch auf Ideen kommt.